Samstag, 8. November 2014

Zum Thema: ICH

Glaubt man Sigmund Freud, ist der Mensch stets gefangen zwischen Über-Ich und Es. Er ist getrieben von den Gegensätzen der Welt und inmitten dieses Sturms aus Unbewusstsein und über Generationen gefestigten Regeln und Vorschriften, da sitzt das menschliche Ich. Auch mein Ich sitzt wohl irgendwo zwischen Trieben und Normen, zwischen Affekt und Gewissen. Aber ist der Mensch nicht mehr als eine variable Mischung aus Tier und kultureller Erziehung? Ist die Suche nach rationalen Lösungen wirklich nur der Vermittlungsposition des Ich gegenüber dem Es und dem Über-Ich zu verdanken? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass meine ganze Persönlichkeit auf einem Spiel von Verdrängen und an die Oberfläche kommen basiert.
Ein Beispiel: Wenn ich mir Samstagsmorgens voller Freude mein Nutellabrötchen schmiere, tue ich das, weil mein Unterbewusstsein den Geschmack der Haselnusscreme schätzt? Oder esse ich nur ein Brötchen, damit mein Über-Ich mich nicht mit spitzen Bemerkungen zu meiner Figur straft? Oder esse ich dieses Frühstück ganz einfach weil ich, also der Teil von dem ich denke, dass ich es bin, das einfach möchte? Ich denke, der gute alte Sigmund konnte aus allem einen Kampf machen, auch aus meinem Frühstück. Aber ich weigere mich anzunehmen, dass all meine Handlungen einen kausalen Zusammenhang zu einem inneren Kampf haben, von dem ich mal mehr mal weniger mitbekomme. Ich meine, welche Energieverschwendung wäre denn das? Eine Grundsatzdebatte wegen einem Brötchen? Ich glaube ja, dass Instinkt und Intellekt sich nicht bekämpfen, sondern bereichern.
Natürlich vertraue ich bei meinem Job auf meinen Instinkt. Er hilft mir, Spuren zu lesen, Infos nachzugehen oder einfach auf mein Bauchgefühl zu hören, auch wenn ich nicht weiß, woher mein Bauch immer so viel weiß. Beim Ermitteln brauche ich hingegen das Über-Ich, das mir dabei hilft, in den gesellschaftlichen Normen so leichtfüßig zu agieren, dass ich aus einem Verdächtigen schlau werde, ohne, dass er es überhaupt merkt. Außerdem hilft es mir mit den Menschen in meiner Umwelt umzugehen und zeigt mir genau auf, was es für Gut oder Böse befindet. Alleinstehend würde mir das gar nichts bringen. Entweder wäre ich ein knallharter Rowdy, unfähig in einer Gruppe zu leben, oder ich wäre ein dummes Schaf, das brav der Herde hinterhertrottet.
Da ich keines von beidem bin – oder mir das zumindest einrede - muss es neben meinem Ich mehr geben, das Instinkte und Vorstellungen vereint. Wenn die menschliche Psyche so einfach gestrickt wäre, gäbe es doch nur wenige Archetypen auf der Welt, oder etwa nicht?
Ich bin jedenfalls genau in diesem Moment ich. Und ich bin genau so, wie ich es für richtig halte. Ich halte mich nicht für das Ergebnis eines Kampfes oder für etwas, das zum vermitteln entstanden ist. Vielleicht ist das, was ich in der letzten Stunde in diesen Blog getippt habe auch alles Quatsch. Sicher sein kann man sich schließlich nur, wenn man Descartes Erkenntnis beherzigt: Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich. Und solange ich ich bin, kann ich auch ich sein, ohne mich als Produkt von etwas zu sehen, das ich mit meinen Sinnen nicht erfassen, messen oder gar bewerten kann.
Standort: Frankfurt, Deutschland

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