Spiegelneuronen sind nervig. Natürlich sind sie wichtig,
weil sie uns ermöglichen die Gefühle unseres Gegenübers intuitiv zu spiegeln
und so ein Teil der sozialen Gruppe unserer Umwelt zu werden. Aber den größten
Teil des Tages finde ich es anstrengend, von meinen Spiegelneuronen gesteuert
zu werden. Ein einfaches Beispiel: Toni trinkt ihren Milchkaffee und schon
nehme ich auch einen Schluck von meinem Getränk. Wenn ich das geplant hätte –
also einen kräftigen Schluck Kaffee zu nehmen – hätte ich dann nicht unabhängig
von Toni einfach etwas Koffein in mich hineinlaufen lassen? Ich lebe ein
selbstbestimmtes, freies Leben, zumindest empfinde ich das so, und doch kriegen
mich die kleinen Zellen in meinem Gehirn immer wieder dran. Und ich realisiere
die Situation natürlich erst im Nachhinein. LTM getrieben von Instinkten und
einem erst vor wenigen Jahren (1996) entdeckten Resonanzsystem.
Vielleicht sollte ich mit meinen Spiegelneuronen nicht so
hart ins Gericht gehen. Immerhin helfen sie mir in Kombination mit meinem
Intellekt und meinem Erfahrungsschatz immer wieder dabei, mysteriöse Fälle
aufzudecken. Ich glaube, die Kunst, sich in andere Menschen hineinzuversetzen,
könnte sogar der Schlüssel zum Erfolg als Kommissarin sein. Wer, wenn nicht
ich, kann sich in die Hirnwindungen von Verbrechern einschleichen und so ihre
Taten rekonstruieren? Auch im Codes lesen, sind meine Spiegelneuronen klasse:
Sie dechiffrieren automatisch die Körpersprache jedes Verdächtigen und bringen
mich oft auf eine heiße Spur.
Welche Bedeutung haben vor diesem Hintergrund ein Schluck
Kaffee zu viel, eine kleine Sünde an der Supermarktkasse oder ein unverdientes
Lächeln in der Bahn? Ist nicht auch Fremdmotivation Teil der eigenen
Motivation? Alles in allem ist das Leben zu kurz, um mit seinem
Unterbewusstsein auf Kriegsfuß zu stehen, oder? Da hadere ich doch lieber mit
meinen Statistiken als mit einem evolutionären Wunder wie den Spiegelneuronen.
Die sitzen im Zweifelsfall eh am längeren Hebel.
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