Diese Woche habe ich einen spannenden
Artikel über Zwillingsforschung gelesen. Ich finde das ja echt
spannend – welchen Teil unserer Persönlichkeit wird von den Genen
bestimmt, welcher von der Umwelt und welcher von persönlichen
Erfahrungen? Ich muss gestehen, dass ich bisher jeden Menschen fast
nur als Individuum zugehörig zu einem kulturellen Pool an
Vorstellung gesehen habe, aber was amerikanische Forscher in den 90er
Jahren herausgefunden haben lässt mich zweifeln. Vielleicht – nur
vielleicht – sind manche von uns zu etwas vorherbestimmt.
Ich las über ein Zwillingspaar, das
nach der Geburt getrennt worden war und in verschiedenen Staaten
lebte, ohne voneinander zu wissen. Beide ergriffen den gleichen Job,
beide heirateten den gleichen Typ Frau, beide nannten ihre
Erstgeborenen James und beide bevorzugten bestimmte Speisen und
Getränke. Sie rauchten sogar die gleiche Zigarettenmarke! Ist das
alles nur Zufall? Oder sind Neigungen wirklich vererbbar?
Ich meine Zwillinge, die gemeinsam
aufwachsen, sind ähnlichen Einflüssen ausgesetzt – so wie normale
Geschwister bis zu einem gewissen Grade auch. Aber wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass sich das gleiche Leben an zwei Orten
gleichzeitig und dennoch unabhängig voneinander abspielt? Heißt
das, dass man Charakter vererben kann? Und wenn das so ist, was
bedeutet das für mich? Werde ich vielleicht meinen Job als
Kommissarin an den Nagel hängen und meine Berufung in der
Staatsanwaltschaft finden? *schüttel* Ich hoffe, in mir ist noch
genug selbstbestimmtes Ich, das mich davor bewahrt!
Außerdem habe ich herausgefunden, dass
es sogar Studien gibt, die Zwillinge dahingehend untersuchen, ob sie
kriminelle Taten verüben und in wie fern diese kriminellen Neigungen
vererbt wurden sein könnten. Zwar fand man heraus, dass es eine
gewisse Tendenz gibt, dass wenn ein Zwilling kriminell wurde, auch
der andere Zwilling diesen Weg einschlägt, aber die Studie war
meiner Meinung nach alles andere als repräsentativ. Vielleicht wäre
das ein Thema für meine Promotion? Immerhin sitze ich hier quasi an
der Quelle oder? Ich glaube, ich schlage es meinem Cheffe einfach mal
vor – in einer ruhigen Minute versteht sich. Der Arme ist mal
wieder ziemlich runter mit den Nerven und hat ein gebrochenes Herz.
Noch mehr Aufregung muss ich ihm ja nicht zumuten. Und bis dahin kann
ich ja meine Recherchen vorantreiben, während ich meinem
statistikgeilen Papi Berichte erarbeite...
Wer weiß, vielleicht bin ich doch ein
Kuckuckskind? Und vielleicht gibt es da draußen noch eine zweite
LTM, die gerade auf der Suche nach mir ist? Die Wahrscheinlichkeit
ist sehr gering, aber wenn ich eines gelernt habe in meinem Job, dann
ist es das, dass nichts unmöglich ist.